Regierungs- und Parlamentsgebäude

Von Lux Ritter 1558 gestiftete Glasmalerei im Kloster Muri (Bild: Denkmalpflege des Kantons Aargau)
Von Lux Ritter 1558 gestiftete Glasmalerei im Kloster Muri (Bild: Denkmalpflege des Kantons Aargau)

Der Rittersche Palast

Das Regierungs- und Parlamentsgebäude besteht aus mehreren, im Verlauf von 300 Jahren erstellten Bauten. Der Rittersche Palast, einer der frühesten Renaissancepaläste nördlich der Alpen, bildet den Kern. Er wurde 1556 als repräsentatives Wohnhaus geplant.

Lux Ritter: Sölderführer, Schultheiss, Bauherr

Als Lux Ritter seinen Palast erbaute, hatte er eine glanzvolle Karriere hinter sich. Er stammte aus einer Handwerkerfamilie, war als Offizier in fremden Kriegsdiensten reich geworden und in Luzern zu Ansehen gekommen. 1537 wurde er Grossrat, 1551 Säckelmeister (Finanzdirektor) des Standes Luzern; 1556 und 1558 bekleidete er als Schultheiss das höchste luzernische Amt.


Ausschnitt aus dem Martini-Plan von 1597
Der Martini-Plan von 1597 zeigt den fertigen Palast.

Ein Renaissance-Palast in Luzern

Was Lux Ritter 1556 als Wohnhaus zu bauen begann, war für Luzern ein Novum. Einen derartig prächtigen Privatbau gab es damals in der Eidgenossenschaft noch nicht. Mitten in die aus Holz erbauten gotischen Häuser stellte der Schultheiss einen mächtigen Steinbau nach dem Vorbild italienischer Renaissancepaläste des 15. Jahrhunderts, wie er sie auf seinen oberitalienischen Kriegszügen gesehen hatte – nach aussen abweisend mit einer Rustika-Fassade aus grossen Quadern, nach innen auf einen quadratischen, ursprünglich ungedeckten Innenhof geöffnet, der auf allen vier Seiten von Loggien umgeben ist. Um Bautyp und Formensprache aus Italien übernehmen zu können, brauchte es erfahrene Fachleute aus dem Süden. Lux Ritter verpflichtete als Architekten Domenico Solbiolo, der in Mailand kurz zuvor einen Palast für den spanischen Vizekönig erstellt hatte. Der Baumeister und die Steinmetze kamen ebenfalls aus Italien oder aus dem Tessin. Sie brachten für diesen Bautypus die neue Bezeichnung «Palazzo» Palast mit. 


Herausragende Steinmetzarbeiten, die Johannes Linzo zugesprochen werden.
Herausragende Steinmetzarbeiten, die Johannes Linzo zugesprochen werden.

Vor das göttliche Gericht gerufen?

Im Frühjahr 1559 kam es zu einem Streit zwischen dem angetrunkenen Bauherrn Lux Ritter und dem am Bau beschäftigten Steinmetz Johannes Linzo von Trient. Dabei wurde bekannt, dass sich Meister Johannes wegen einer Erscheinung, die er Jahre zuvor hatte, für den Propheten Elias hielt. Er wurde als Ketzer angeklagt und am 8. Mai 1559 hingerichtet. Einen Tag später starb Lux Ritter. Rasch verbreitete sich die Legende, dass ihn Johannes Linzo, als er auf dem Weg zur Richtstätte am Palast vorbeigeführt wurde, vor das göttliche Gericht gerufen habe.

Schwierige Nutzung

Nach Lux Ritters Tod war man ratlos. Der im Bau befindliche Palast war für Luzerner Massstäbe riesig. Der offene Innenhof mit den Loggien, der bei mediterranen Temperaturen Kühlung brachte, war wenig geeignet für das raue Klima in der Zentralschweiz. Schliesslich übernahm die Luzerner Obrigkeit den Rohbau, stellte den Palast fertig und benutzte ihn als zweites, besonders repräsentatives Rathaus. 


Ausschnitt aus dem Schumacher-Plan von 1792
Der Schumacher-Plan von 1792 zeigte die Bautätigkeit der Jesuiten.

Die Jesuiten

Bereits 1577 wurde der Rittersche Palast jedoch den Jesuiten als Wohnhaus geschenkt. Die Stadt Luzern hatte den Papst mehrfach gebeten, Jesuiten nach Luzern zu senden, um dort eine höhere Schule zu gründen. Die Jesuiten bezogen den Bau an Weihnachten 1578. Die einzelnen Räume des Hauses wurden nach Heiligen benannt. Im Erdgeschoss, in einem ursprünglich als Keller erstellten Raum, wurde eine erste Kirche eingerichtet. Den Zugang erhielt sie durch das Seitenportal des Palastes.

Intensive Bautätigkeit der Jesuiten

1586 erwarb die Stadt Luzern für die Jesuiten zwei westlich an den Palast anschliessende Häuser, und Schultheiss Ludwig Pfyffer stiftete 10'000 Gulden. Fünf Jahre später konnte dort die zweite Kirche geweiht werden.

Im folgenden Jahrhundert wurde eine dritte Kirche im Osten an einen inzwischen erstellten Erweiterungstrakt des Kollegiums angefügt, die dem heiligen Franz Xaver geweihte heutige Jesuitenkirche. Die Grundsteinlegung erfolgte am Namenstag des Heiligen, am 3. Dezember 1666. Elf Jahre später, am 29. August 1677 wurde die neue Kirche durch den päpstlichen Nuntius Edoardo Cibo unter barocker Prachtentfaltung eingeweiht. 1695 musste die zweite, inzwischen stark unterhaltsbedürftige Kirche einem Erweiterungsbau für das Kollegium weichen. 1756-57 wurde der alte Verbindungsbau zwischen Palast und Jesuitenkirche abgebrochen und durch einen neuen Seitenflügel ersetzt. In dieser Form präsentiert sich das Gebäude heute.

Vom Jesuitenkollegium zum Regierungsgebäude

Nachdem Papst Klemens XIV. den Jesuitenorden 1773 aufgelöst hatte, enteignete die Luzerner Obrigkeit die Jesuiten. Diese unterrichteten aber noch längere Zeit als Weltgeistliche in ihrem ehemaligen Kollegium.


Der Lichthof des Ritterschen Palastes
Der Lichthof im Ritterschen Palast heute

Trennung von Stadt und Kanton

Mit der Mediationsakte, die Napoleon Bonaparte der Schweiz 1803 aufzwang, wurden die Grundlagen der Demokratie gelegt, so die Teilung der Gewalten von Legislative (Gesetzgebung, Parlament), Exekutive (Regierung) und Judikative (Gerichte), aber auch der Föderalismus, der unmittelbar zur Gründung des Kantons Luzern führte. Bei der folgenden Teilung von Stadt und Kanton erhielt der Kanton unter anderem den Ritterschen Palast mit den Seitenflügeln, in die die neu gewählte Kantonsregierung mit dem Grossteil der Verwaltung einzog.


Der Grossratssaal im Jahr 1843
Der Grossratssaal, wie er im Baujahr 1843 aussah. Hier allerdings während einer Tagsatzung der Stände der Eidgenossenschaft.

Der Grossratssaal im Jahr 1843

Mit dem Einzug in die ehemaligen Gebäude der Jesuiten hatte zwar die Exekutive und die Verwaltung Räumlichkeiten erhalten. Die 100 Mitglieder zählende Legislative, damals der «Grosse Rat», hatte hingegen noch keinen eigenen Raum für ihre Sitzungen. Der Grosse Rat tagte jeweils im Marianischen Saal, im obersten Stockwerk des gegenüberliegenden Gebäudes an der Bahnhofstrasse 18. Schliesslich erhielt Plazidus Segesser den Auftrag, für das Parlament einen halbkreisförmigen Anbau an den Ritterschen Palast zu realisieren.

Dem 1841-43 ausgeführten Bau lagen Entwürfe des bekannten Basler Architekten Melchior Berri zugrunde, die Plazidus Segesser vereinfachte und ausführte. Die ursprüngliche Ausstattung des Parlamentssaales stammte von Louis Pfyffer von Wyher.

Dem republikanischen Zeitgeist folgend, wurde der Saal im neoklassizistischen Stil erbaut, angelehnt an klassische Vorbilder wie das antike Theater (Odeon) und den griechischen Ratssaal (Bouleuterion): In konzentrischen Halbkreisen sitzen die Parlamentarier auf nach hinten ansteigenden Podesten. Vorne in der Mitte sitzt das Führungsgremium: erhöht das Ratspräsidium, davor die Regierung. Der Parlamentssaal des Kantons Luzern ist der wohl schönste neoklassizistische Ratssaal der Schweiz.


Der Grossratssaal zwischen 1912-1960
Der Grossratssaal, wie er sich zwischen 1912-1960 präsentierte.

Der erste Umbau 1908–1912: Jugendstil

Aus Platzmangel, aber auch weil der Saal renovationsbedürftig war, wurde er Anfang des 20. Jahrhunderts in der Formensprache des Jugendstils neu gestaltet. Die Parlamentarier erhielten erstmals Tische. Sukzessive wurde der Saal mit Stuck, Vergoldungen, Wappen, Dekorationselementen, Presselogen und Büsten bedeutender Luzerner Politiker ergänzt. Er nahm zusehends operettenhafte Züge an.


Der Grossratssaal zwischen 1960-1999
Der Grossratssaal nach dem Umbau von 1959/60

Der zweite Umbau 1959/60: Rückkehr zur klassizistischen Strenge

Die üppige Ausstattung wurde in den späten 1950er-Jahren als unseriös und für die ernsthafte Arbeit des Parlaments unpassend empfunden. Man beschloss, den Saal zur «klassizistischen Strenge und Klarheit» sowie einer «betont würdigen, republikanisch-klassischen Haltung» zurückzuführen. Sämtliche Elemente aus der Jugendstilzeit wurden entfernt, der Saal wurde auf die noch vorhandenen Originalbauelemente reduziert: die Kolonnade (Säulenreihe) und die Zylinderöfen. Die neue Möblierung war schlicht und zweckdienlich.


Der Kantonsratssaal heute
Der Kantonsratssaal im Jahr 2025

Der dritte Umbau 2000/01: Aufbruch ins digitale Zeitalter

Der Saal hatte von Anfang an mit baulichen und technischen Schwächen zu kämpfen: Probleme bei Akustik, Beleuchtung und Klimatisierung, zunehmender Platzmangel sowie statische Schwierigkeiten, insbesondere bei der Decke machten eine grössere Renovation immer dringlicher. Die Parlamentsreform im Rahmen des Projekts «Luzern 99» reduzierte die Zahl der Ratsmitglieder von 170 auf 120 Sitze. Diese neue Ausgangslage ermöglichte den längst überfälligen Umbau.

Der Saal erhielt eine zeitgemässe Möblierung, die technische Ausstattung wurde modernisiert: Heizung, Lüftung, Beleuchtung und Medientechnik (Beamer, Leinwand, Netzwerkanschlüsse und Übertragungskabinen). Zudem wurde im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung ein künstlerisches Konzept umgesetzt: Als Referenz an die Zeit, als im Kanton Luzern zwei politische Parteien dominierten, wurde die Möblierung in Schwarz (Liberale) gehalten und die Textilbespannung der Rückwand in Rot (Konservative). Im Kontrast dazu gestaltete die Künstlerin Renée Levi die Rückwand der Präsidialnische in gelber Leuchtfarbe, womit sie das Motiv der wandseitig gelegenen Reuss in den Saal hineinholte.

Seit 2014 verfügt der Saal auch über eine elektronische Abstimmungsanlage.


Literatur

  • Schweizerische Kunstführer der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (GSK): Ritterscher Palast, Regierungsgebäude in Luzern. Adolf Reinle. 1. Auflage. Bern 1978. Nr. 235.
  • Die Kunstdenkmäler der Schweiz: Kanton Luzern, Band II, Die Stadt Luzern l. Teil. Adolf Reinle. Basel 1953. 427 Seiten mit 306 Abbildungen.
  • «Der Rittersche Palast in Luzern», Dissertation von Dr. Jonas Wilhelm Kallenbach, Zürich 2013, DISS. ETH Nr. 21226